Einleitung und
Fragestellung
Im Jahre 2008 jährt sich die Gründung des Möllner
Geschichtsvereins zum 125. Male. Auf das in diesem
Zusammenhang relevante Jahr 1883 hat bereits Rackmann
knapp in einem Überblick zum 100. Jahrestag hingewiesen.
1) Nur ganz knapp streifte
er dabei den Vorläufer der Möllner
Geschichtszeitschrift, das so genannte „Sachausche
Archiv".
Carl Theodor Johannes Sachau ist seit 1848 im Herzogtum
Lauenburg nachweisbar, als er zum dortigen
Landkriegskommissar bestellt wurde.
Publikationen mit wissenschaftlichem Anspruch wurden
nicht nur im 19. Jahrhundert zur Subskription aufgelegt.
Das verlegerische sowie das eigene Risiko sollten
dadurch minimiert werden. Das war umso wichtiger, wenn
ein bis dahin völlig neues Publikationsorgan aufgelegt
werden sollte. So hatte auch Sachau für die von ihm
herausgegebene neue Zeitschrift Werbung in Form von
Einzelblättern gemacht, die wir nach heutigem
Sprachgebrauch als Flugblätter oder Handzettel
bezeichnen würden.
Bis dahin hatte sich um die Geschichte Lauenburgs als
erster Kobbe verdient gemacht. In seinem dreibändigen
Werk schien er alles bis dahin Wichtige publiziert zu
haben. 2) Auch die Staatsgeschichte von Duve hatte noch
einmal Wesentliches zusammengefasst. 3) Nun kam ein
Nichtlauenburger in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf
die Idee, eine Zeitschrift herauszugeben, die sich mit
einzelnen Aspekten der lauenburgischen Geschichte
beschäftigen wollte. Das war eine völlig neue Idee, denn
Publikationen, die in serieller Folge erscheinen sollten
gab es im Lauenburgischen bis dahin nicht. Bei den
Literarischen Blättern, die kurz nach 1800 erschienen
waren, handelte es sich um für die zu damalige Zeit
allgemein übliche Publikationsorgane, die sich im
Wesentlichen um Literatur bemühten und dabei in
____________________
1) Otto Rackmann, Hundert Jahre Geschichtsverein
Herzogtum Lauenburg, in: 100 Jahre Geschichtsverein,
Schriftenreihe des Heimatbundes und Geschichtsvereins
Herzogtum Lauenburg, Bd. 20, Schwarzenbek 1983, S.
13-39.
2) Peter von Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung
des Herzogthums Lauenburg, 3 Bde., Altona 1821-1837.
3) A. E. E. L. von Duve, Mittheilungen zur näheren Kunde
des wichtigsten der Staatsgeschichte und Zustände der
Bewohner des Herzogthums Lauenburg von der Vorzeit bis
zum Schlusse des Jahres 1851, Ratzeburg 1857.
119
120
erster Linie
Belletristisches an die Leserschaft herantrugen. Zwar
wurde auch dann und wann einmal eine historische Frage
angesprochen, doch das war nicht erstes Ziel dieser
Publikationen. Im Abstand von 150 Jahren ergibt sich
folglich eine ganze Reihe von Fragen, die diese
Untersuchung leiten sollen: Wer war der Begründer des
„Sachauschen Archivs"? Was sollte publiziert werden? Was
wurde publiziert? Was wissen wir über die Leserschaft?
Welchen Bestand hatte diese Zeitschrift?
Der Begründer der neuen Zeitschrift
Carl Theodor Johannes Sachau wurde am 12. Dezember 1823
in Glückstadt/ Schleswig-Holstein geboren. Seine Familie
lässt sich in der Gegend bis zum Anfang des 17.
Jahrhunderts zurückverfolgen. 4) Mit 25 Jahren kam er
nach Lauenburg und wurde dort zum Landkriegskommissar
bestellt. Er stand in dänischen Diensten und hatte eine
Art technische Aufsicht über die Justizsachen, was die
Armee anging, und war somit königlicher Beamter. 1852
heiratete er die aus Kiel stammende Marie Anna Helene
Schmidt, Tochter des Bürgers und Kaufmanns Christian
Jürgen Schmidt. 5) Das Ehepaar Sachau hatte im Laufe der
Zeit sieben Kinder, von denen zwei im Säuglingsalter
verstarben. 6)
Nach dem Ende der bürgerlichen Revolution von 1848 wurde
Sachau Bataillons-Auditeur, also wiederum technischer
Helfer in Kriegsgerichtssachen, und übernahm nach dem
Ableben des Justizrates Sponagels im Jahre 1856 an
dessen Stelle das „Justitiariat der Adeligen Güter
Niendorf/St., Niendorf/Schaalsee, Kulpin, Rondeshagen,
Bliestorf, Grinau, Kastorf und Tüschenbek". 7) Das
bedeutet, dass er jurisdiktioneller Helfer in diesen
Gebieten wurde. Zehn Jahre später erhielt Sachau dann
eine etwas anspruchsvollere Stellung, als er
Stadthauptmann von Ratzeburg wurde. 8) Noch während
seiner Zeit als Landkriegskommissar musste ihm der
Gedanke gekommen sein, für dieses Herzogtum eine
Zeitschrift herauszugeben, die sich mit dessen
Geschichte befasst. Das ist die Zeit, in der Duve an
seiner „Staatsgeschichte" arbeitet und Linsen die
Herausgabe eines Statistischen Handbuches plant. Das
zeigt, dass es Personen gab, denen es ein Anliegen war,
das Wissen über das
____________________
4) www.genealogy-sh.de
5) Kirchenbuch St. Petri von 1852.
6) Christiand Wulf Wilhelm *31. 10. 1853, Carl Friedrich
Siegfried Johannes *12. 10. 1854, Marie Mathilde Johanna
*2. 11. 1856 / +3. 9. 1857, Anna Sophie Auguste *18. 11.
1858, Hans Georg Ludwig Hermann *8.9. 1861, Friedrich
Wilhelm Franz Emi * 14.8. 1864 u. Carl Lorenz Theodor
Johann *+14. 8. 1865. Für diese Auskünfte bin ich dem
Ratzeburger Stadtarchivar, Herrn Christian Lopau, zu
Dank verpflichtet.
7) Offizielles Wochenblatt vom 27. 8., 8. 10. u. 25. 10.
1856.
8) Die Lauenburgische Zeitung meldete am 9.s 6. 1866, dass
Sachau an Stelle des Herrn Adlers königlicher
Stadtkommissar wurde (vgl. auch StARZ, Nr. 1604). Gem.
Königlicher Ordre vom 11. 8. 1866 wurde die Bezeichnung
der Stelle des „Stadtkommissars" in „Stadthauptmann"
geändert.
120
121
Land zu verbreiten. Das lag durchaus im Trend der Zeit,
denn auch überregional versuchen sich historische
Zeitschriften zu etablieren.
Inhalte des „Vaterländischen Archivs"
Im Vorwort zum ersten Band des „Vaterländischen Archivs
für das Herzogthum Lauenburg" (VAL), der 1857 erschien,
gibt Sachau eine kurze, sehr allgemeine Analyse des
gegenwärtigen Zustandes im Herzogtum. Ausgehend von
einem Fortschrittsglauben, der als aufgeklärter
Konservatismus bezeichnet werden kann, warf er der
Verwaltung vor, „dass sie in manchen Punkten zu starr an
dem einmal Vorhandenen gehalten hat" 9) und damit eine
Weiterentwicklung verhindert habe. So kommt Sachau zu
der Schlussfolgerung, dass in Lauenburg ein
„vieljähriger Stillstand" zu beobachten sei. Ganz
ähnlich sprach Bismarck knapp zehn Jahre später von dem
Miniaturbild des Mittelalters, dem Lauenburg noch zu
Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert
entspräche. 10) Aber gleichzeitig wollte Sachau mit den
Beiträgen in der neuen Zeitschrift auch nichts berühren
und anregen, „was mit dem tiefinnersten Wesen
Lauenburgischer Eigenthümlichkeit in Widerspruch stehe."
11) Angesichts dieser Beschreibung darf man gespannt
sein, was hier veröffentlicht wurde.
Ein Blick auf die Inhaltsverzeichnisse der erschienenen
Bände offenbart dann jedoch keine Überraschungen. Es
handelt sich im Wesentlichen um Aufsätze zur Geschichte
des Herzogtums vom Mittelalter bis fast in die damalige
Gegenwart. Auch zeitgenössische Bestandsaufnahmen wurden
veröffentlicht, die heute noch als Anregungen für
weitere Forschungen gelten können, so etwa der Beitrag
des Gutspächters Bödeker über die landwirtschaftlichen
Vereine. 12) Auch die Geschichte des Gutes Thurow ist
hier in ersten Ansätzen vorgestellt, 13) bis heute aber
nicht weiter geführt worden. Im dritten Band beschäftigt
sich der damalige Direktor der Lauenburgischen
Gelehrtenschule C. L. F. Zander, der mit der Stiftung
seiner privaten Bibliothek einen wesentlichen Grundstein
der umfangreichen Bibliothek der Schule gelegt hat, mit
der Franzosenzeit in Lauenburg, die nach ihm noch
mehrfach aufgegriffen wurde. Mit diesem Beitrag wurde
die Moderne erreicht, und in der Tat erschien der Band
im Jahre 1863, das heißt genau 50 Jahre nach der
Vielvölker-
____________________
9) Vaterländisches Archiv für das Herzogthum Lauenburg
[VAL], Bd. 1, Ratzeburg 1857, S. 8.
10) Eckart Opitz, Das Herzogtum Lauenburg im Königreich
Preußen: 1865-1918, in: Herzogtum Lauenburg. Das Land
und seine Geschichte. Ein Handbuch; hrsg. von E. Opitz,
Neumünster 2003, S. 338.
11) VAL, Bd. 1 (1857), S. 11. Von einer „kritischen
Zeitschrift" zu sprechen, so wie es Rackmann, Hundert
Jahre (wie Anm. 1), S. 13, tut, ist infolge dessen
abwegig.
12) VAL, Bd. 1 (1857), S. 93-95.
13) E. P. Berckemeyer benutzte 1846 Akten des
Mecklenburg-Schwerinschen Geheimen- und Haupt-Archivs,
vgl. VAL, Bd. 2 (1859), S. 385 ff.
121
122
schlacht bei Leipzig, ohne dass dieses Ereignis jedoch
auch nur annäherungsweise so gefeiert wurde, wie 1913 im
Zeichen des übersteigerten Nationalismus.

Abb 1: Vaterländisches Archiv für das Herzogthum
Lauenburg, Bd. 2, Titelblatt.
122
123
Viele Beiträge haben deutliche Schwerpunkte in der
Rechtsgeschichte, so wie schon das Vorwort von Sachau
selbst stark von juristischer Terminologie und
Zielsetzung geprägt ist. Die ersten drei Beiträge
befassen sich ausschließlich mit juristischen Fragen, so
dass sich einerseits die Frage nach der Autorenschaft
und andererseits nach der Leserschaft ergeben. Von
Warnstedt schreibt über die Rechte der Bauern, von Duve
über das Jagdrecht, Meyer über Aktenverschickung bei der
Gerichten, Rohrdantz über die
Consistorialgerichtsbarkeit. Auch im zweiten Band finden
sich wieder zahlreiche Aufsätze zu Rechtsfragen: So
wiederum von Warnstedt über einen Rechtsfall aus dem 16.
Jahrhundert, von Duve gibt einen Extrakt aus
Prozessakten, Adler über Meyerrechts-Verhältnisse und
Brinkmann über einen Kammergerichtsprozess.
Im Schlusswort des ersten Bandes rief Sachau zur
Mitarbeit an der Zeitschrift auf: „Mögen die mit den
Landesverhältnissen vertrauten Männer, deren Zahl keine
geringe ist, dem Archiv ihre thatkräftige Unterstützung
nicht fehlen lassen, damit dasselbe, durch gemeinsame
Thätigkeit gehoben, auch diejenige Gemeinnützlichkeit
erreiche, welche die Thätigkeit Weniger ihm zu verleihen
nicht vermag, und welche doch als wesentlicher Zweck
dies Unternehmen ins Leben gerufen hat." 14)
Tab. 1:
Verzeichnis der Autoren (alphabetisch).
Name |
Beruf |
Titel |
Wohnort |
Adler, F. A. |
Amtsadvokat |
|
Ratzeburg |
Arndt, K. F.
L. |
Pastor |
|
Schlagsdorf |
Berckemeyer,
E. P. |
Gutsbesitzer |
Landrat |
Gr. Thurow |
Bobertag, H.
P. M. |
Rektor der
Gelehrten-
schule |
|
Ratzeburg |
Bödeker, G.
A. |
Gutspächter |
|
Neugüster |
Brinkmann,
Rud. |
Oberappe-
lationsrat |
Dr. jur. |
Kiel |
Deecke, |
Professor am
Catharineum |
Dr. |
Lübeck |
Duve, von |
Advokat |
Dr. jur. |
Ratzeburg |
Laage |
Stadtsekretär
u. Advokat |
|
Lauenburg |
Langrehr, von
A. |
Capitain a. D. |
Kammer-
junker |
Ratzeburg |
Lappenberg, |
Archivar |
Dr. |
Hamburg |
Meyer, C. |
Advokat |
|
Lauenburg |
Morath, A. |
Pastor |
|
Mölln |
Rohrdantz, L. |
Pastor |
|
Lütau
|
Schädtler,
von |
Capitain |
|
Ratzeburg |
Vieth, A. |
Pastor |
|
Kuddewörde |
Warnstedt
von,
C. L. |
Amtmann |
Kammer-
herr R,
v. D. |
Steinhorst |
Zander, C. L.
F. |
Prof. u.
Direktor |
Prof. |
Ratzeburg |
____________________
14) VAL Bd. 1 (1857), S. 454.
123
124
Wer waren die Autoren?
Neben Sachau selbst, der als Herausgeber und
Beiträger von Miszellen fungierte, lassen sich in den
ersten drei Bänden insgesamt 18 Autoren feststellen.
Von diesen Männern - Frauen erscheinen wohlgemerkt nicht
unter den Beiträgern - kamen 15 aus Lauenburg. Ein
Drittel aller Autoren stammte aus Ratzeburg, das als
Sitz aller höheren Beamtenstellen ein gewisses Zentrum
für diese Zeitschrift darstellte. Jeweils drei Verfasser
kamen aus den beiden übrigen Städten Lauenburg (2) und
Mölln (1), von den Gütern und den gutsfreien Dörfern.
Darüber hinaus hatte das VAL auch drei auswärtige
Beiträger zu verzeichnen, darunter den renommierten
Hamburger Archivar Lappenberg, einen Professor aus dem
etablierten Lübecker Gymnasium und einen
Oberappellationsrat aus Kiel.
Eine Analyse der Berufe der Schreiber in dem VAL weist
nach der Untersuchung der Art der Beiträge
konsequenterweise auf eine Mehrheit der Juristen, dicht
gefolgt von Pastoren. 15) Mit dem Archivar Lappenberg
findet sich nur ein „gelernter" Historiker findet sich
unter den Autoren.
Insgesamt ist diese Zusammensetzung nicht verwunderlich:
Der Jurist Sachau wohnte in Ratzeburg, traf sich
möglicherweise an einer Art Stammtisch mit
Berufskollegen und anderen Honoratioren, entwickelte
seine Vorstellungen für eine Zeitschrift und warb
gleichzeitig um Mitarbeit und Beiträge. 16) Die Kontakte
nach außerhalb hielten sich insgesamt deutlich in
Grenzen, was jedoch für eine erst noch aufzubauende
Autorengruppe am Beginn einer solchen Zeitschrift nichts
Besonderes darstellt. Das „Sachausche Archiv", wie es im
allgemeinen Sprachgebrauch genannt wird, um es von dem
späteren VAL des Möllner Geschichtsverein zu
unterscheiden, kam über die ersten drei Bände, die in
jeweils drei Heften publiziert wurden, nicht hinaus. Das
dritte und letzte Heft des dritten Bandes erschien im
Jahre 1863. Ein Band sollte im Oktavformat etwa 80
Bogen, das sind 240 Seiten, umfassen und 2 1/2
Reichstaler kosten. Der Ratzeburger Buchhändler Helmuth
Linsen 17) verlegte das VAL.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es
Preis, Kosten und geringe Abonnentenzahl waren, die
diese Zeitschrift nur über einen so kurzen Zeitraum
bestehen ließen.
____________________
15) Damit stellt sich die Autorenschaft im 19.
Jahrhundert ganz anders dar als im 20. Jahrhundert, in
dem eine bedeutende Anzahl aus dem Berufsfeld der
Volksschullehrer kam. Vgl. dazu auch die Untersuchung
von Jörn Christiansen:. „Die Heimat". Analyse einer
regionalen Zeitschrift und ihres Umfeldes, Neumünster
1980, S. 44-48.
16) In gleicher Weise ist im Übrigen die Lauenburgische
Heimat in den 50er bis Mitte der 70er Jahre des 20.
Jahrhunderts vorbereitet worden.
17) Zu Linsen vgl. Hansjörg Zimmermann,
Geschichtsschreibung und Regierung. Zur
Entstehungsgeschichte von drei Standardwerken zur
lauenburgischen Geschichte, in: ZSHG 129 (2004), S.
115-139, hier S. 130-134.
124
125
Die Leserschaft des „Vaterländischen Archivs"
Die Überschrift dieses Kapitels kündigt etwas mehr an
als hier wirklich ausgesagt werden kann. Es wird nur ein
Teil der Leser, hier die Subskribenten, untersucht
werden. Wie viele Leser das VAL wirklich hatte, lässt
sich nicht belegen. Ebenso wenig ist etwas über Auflage
und freien Verkauf zu ermitteln. Aber es ist davon
auszugehen, dass die Auflage eher gering anzusetzen ist
und dass im freien Verkauf nicht sehr viele Exemplare
abgesetzt werden konnten. So versuchte Sachau, wie es
bei größeren Unternehmungen bis dato üblich ist,
Subskribenten zu werben, das heißt vor dem Erscheinen
verpflichteten sich Einzelpersonen oder Institutionen
dazu, die Publikationen abzunehmen. Damit war ein
gewisser kalkulatorischer Rahmen abgesteckt.
Im ersten Heft des ersten Bandes von 1857 ist das
Subskribentenverzeichnis über mehrere Seiten abgedruckt.
Die Fortsetzung sollte im zweiten Heft veröffentlicht
werden, doch weder in jenem noch in einem der weiteren
Hefte ist dieses Verzeichnis publiziert worden.
Folgende Gliederung der Subskribenten lässt sich
analysieren:
Tab. 2:
Struktur der Subskribenten.
Berufe oder
Institutionen |
Anzahl |
Beamte |
66 |
Institutionen |
21 |
Gutsbesitzer bzw.
-pächter |
9 |
Rechtsanwälte |
9 |
Schulen |
1 |
Kaufleute |
1 |
Mediziner |
1 |
Sonstige |
6 |
Hinzu kamen noch
der dänische Erbprinz und der Herzog von
Schleswig-Holstein-Glücksburg.
Eine Tiefengliederung ergibt folgendes Bild: Von den 66
Institutionen waren 54 nicht in Lauenburg ansässig.
Zwanzig waren allein in Kopenhagen zu Hause, davon waren
sechs Ministerien. 18) Das war sicherlich nicht nur
reines Interesse an Publikationen aus Lauenburg, sondern
gehörte auch zum Überwachungssystem dessen, was
publiziert wurde. Wenn die Veröffentlichungen vor Ort
waren, konnten die entsprechenden Stellen auch direkter
und konkreter eingreifen. Es darf nicht vergessen
werden, dass das VAL in einer Zeit entstand, in der die
Gedanken um die gerade erst zehn Jahre zurückliegenden
Ereignisse der Märzrevolution, um Forderungen nach einer
Verfassung und um mehr
____________________
18) Folgende Ministerien wollten das VAL abonnieren: Das
Finanz-, Justiz-, Innen- u.
Kriegs-Ministerium sowie das Ministerium für Schleswig
und das für Holstein und Lauenburg.
125
126
Freiheitsrechte kreisten. Entsprechende Gedanken wurden
von den Regierenden jeweils aufmerksam verfolgt, und
nicht umsonst hat diese Zeit den Namen „Reaktionszeit"
erhalten.
Es bleibt noch anzumerken, dass von den 66 Beamten
allein 13 Pastoren waren. Sie fühlten sich dem Land und
seinen Bewohnern eng verbunden und waren offensichtlich
auch an seiner Geschichte interessiert. Ein Abgleich der
Subskribentenliste mit den Mitgliedern der Ritter- und
Landschaft, also dem Vorläufer des Kreistages, zeigt,
dass die meisten sich hier zurückhielten. Von den sieben
Abgeordneten aus dem Stande der Gutsbesitzer wollten nur
drei diese Zeitschrift abonnieren. 19) Aus den drei
lauenburgischen Städten hatte nur der Möllner
Stadthauptmann Dahm gezeichnet. Am „besten" war die
Relation in den Landgemeinden. Von den vier Abgeordneten
hatten immerhin zwei sich in die Subskribentenliste
aufnehmen lassen. 20)
Die negative Korrelation zwischen Subskribierenden und
Mitgliedern im lauenburgischen Landtag spiegelt sich
auch in einer anderen Beziehung.
Sachau hatte das VAL zur Subskription gestellt, um eine
Kalkulation für diese Zeitschrift erstellen zu können.
Im ersten Heft wurden 116 Abnehmer veröffentlicht, die
die Zeitschrift bezahlten. Der Band mit insgesamt rund
240 Seiten sollte 2 1/2 Taler kosten. Damit hatte er 290
Taler an Einnahmen. Druck- und Verlagskosten, auch die
Auflagenhöhe sind nicht zu ermitteln. Genauso wenig ist
bekannt, ob es tatsächlich noch weitere Subskribenten
gegeben hat. Anzunehmen ist eher, dass sich die Anzahl
nicht vergrößert hat, denn sonst wären sie allein schon
aus Werbegründen im zweiten Heft des ersten Bandes
veröffentlicht worden.
Dass dies so war, spricht auch aus dem am 7. April 1859,
also gleich nach Erscheinen des ersten Heftes, an die
Ritter- und Landschaft gestellten Antrag, in dem der
Buchhändler und Verleger Helmuth Linsen um finanzielle
Unterstützung für das VAL bat. In der Sitzung vom
23./24. Juni 1859 wurde dieser Antrag im Landtag
verhandelt. Unter Tagesordnungspunkt Nr. 12 heißt es im
Protokoll: „Das unter dem 7. April 1859 eingereichte
Gesuch des Buchhändlers H. Linsen in Ratzeburg wegen
Beförderung und Unterstützung des 'vaterländischen
Archivs für das Herzogthum Lauenburg'. - Das Gesuch ist
mit acht gegen sieben Stimmen abgelehnt." 21) Dieses
Stimmenverhältnis passt genau mit den Subskribenten des
VAL aus dem lauenburgischen Parlament überein. Neun
Abgeordnete hatten nicht subskribiert, von denen einer
aber als Autor tätig war und damit für die Unterstützung
gestimmt haben wird. Eben diese acht lehnten den Antrag
ab. Das Ergebnis war knapp und es ist wohl davon
auszugehen, dass ein regelmäßiger Druckkostenzuschuss
____________________
19) Dies waren: von Kielmannsegge-Gülzow, von
Schrader-Rondeshagen, Dr. von Hollen-Tüschenbek. Der
Landrat Berckemeyer aus Gr. Thurow war immerhin als
Autor dabei und wird dann wohl auch die Zeitschrift
erworben haben.
20) Dabei muss von Gundlach zu Fürstenhof eigentlich zu
den Gutsbesitzern gerechnet werden, denn er besaß das
Freigut Fürstenhof, das in der Gemeinde Gr. Grönau lag.
Somit bleibt nur der Hufner Groth aus den Landgemeinden
übrig.
21) Protokoll der Landtagssitzungen der lauenburgischen
Ritter- und Landschaft vom 23./24.6. 1859, S. 7.
126
127
diese Zeitschrift auch hätte weiter bestehen lassen. So
musste sie mit dem dritten Band auch aufgrund einer
kurzsichtigen Entscheidung der Kommunalpolitiker 1863
ihr Erscheinen einstellen. Dieses Ende kam offenbar auch
für Sachau selbst überraschend, denn es ist kein Epilog
im letzten Heft des dritten Bandes erschienen.
Die Preisgestaltung und das Ende der Zeitschrift
Der Band der Zeitschrift mit rund 240 Seiten kostete
2 1/2 Reichstaler, wie der Umschlagseite zu entnehmen
ist. Setzen wir diesen Preis in Beziehung zu anderen
Kosten und Einkommen, so ergibt sich daraus folgendes
Bild. Sachau verdiente gemäß Budget 225 Reichstaler
jährlich, 22) das heißt er musste selbst 1 % seines
Jahresgehaltes für den Kauf eines Bandes aufbringen.
Vergleicht man sein Gehalt als königlicher Beamter mit
den Gehältern anderer Personen in etwa gleichen
Verhältnissen, so ergibt sich, dass selbst der Lehrer an
der Armenschule mit 260 Talern deutlich mehr erhielt.
Der Elementarlehrer, also ein Grundschullehrer, erhielt
sogar 355 Taler, und der Töchterlehrer Mirow bekam sogar
540 Reichstaler plus freie Wohnung und Vergütung für
Feuerung. 23) Die Kosten des täglichen Lebens lassen
sich zum Beispiel für bezahltes Mittagessen für ein Jahr
mit rund sechs Reichstalern beziffern. Für „unversorgte
und uneheliche Kinder" zahlte die Stadt Ratzeburg pro
Jahr bis zu 16 Taler pro Kind. Richtig teuer wurde es,
wenn man als Sohn eines Ratzeburgers selbst Bürger der
Stadt werden wollte. Dafür waren immerhin fünf
Reichstaler aufzubringen. 24) Bezogen auf den Preis für
das Vaterländische Archiv bedeutet das: Es war recht
teuer, wollte sich jemand den Luxus eines solchen Buches
erlauben. Bücher und Lesen waren auch noch zu Beginn der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas für eine
relativ kleine, privilegierte Schicht. Diese Gruppe von
Personen war offensichtlich zu klein, als dass sich
daraus eine Geschichtszeitschrift finanzieren konnte.
So musste nach nur drei Ausgaben das Vaterländische
Archiv sein Erscheinen aus finanziellen Gründen wieder
einstellen. An den Inhalten kann es nicht gelegen haben,
denn auch in dem 20 Jahre später neu gegründeten
Vaterländischen Archiv erschienen thematisch
vergleichbare Beiträge. Auch ein Mangel an Autoren
dürfte als Grund für die Einstellung ausscheiden.
____________________
22) Budget über die Einnahmen und Ausgaben des
Herzogthums Lauenburg für das Jahr vom 1. April 1857 bis
ult. 1858, Ratzeburg 1857, S. 37.
23) Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 1863, in dem
das Gehalt Sachaus gleich geblieben ist.
24) Für die Angaben zu den einzelnen Positionen bin ich
dem Möllner und Ratzeburger Stadtarchivar, Herrn
Christian Lopau, zu Dank verpflichtet.
127
128
Fazit
Ein Nichtlauenburger machte sich 1858 an ein
Unterfangen, für dieses kleine, selbständige Herzogtum
Lauenburg eine Geschichtszeitschrift herauszugeben.
Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit war er mit den
regionalen Verhältnissen einigermaßen vertraut,
jedenfalls so sehr, dass er es als lohnenswert ansah,
die Historie dieses Landes in einer eigens dazu
herauszugebenden Zeitschrift zu veröffentlichen. Er fand
dafür auch Autoren, die sich mit unterschiedlichen
Zeitabschnitten beschäftigten. Diese Beiträge sind in
aller Regel fundiert, auch wenn sie in der Form nicht
heute üblichen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Ganz offenbar haben finanzielle Schwierigkeiten den
Herausgeber dazu gezwungen, das Erscheinen der
Zeitschrift einzustellen. Nicht immer waren die
Subskribenten auch verlässliche Zahler. Das VAL wäre
damit sogar noch um zwei Jahre älter als die „große"
Historische Zeitschrift, die, von Sybel begründet, im
Jahre 1859 zum ersten Male erschien. Leider hat die
regionale politische Elite mit ihrer Ablehnung einer
insgesamt geringen finanziellen Unterstützung mit zu dem
Ende beigetragen. Damit wurde eine Chance vertan, eine
Tradition zu begründen, auf die man heute bei mancher
Gelegenheit sicher gerne zurückblickte.
In: Brückenschläge aus der Vergangenheit
Festschrift für Peter Wulf zu seinem 70. Geburtstag
Herausgegeben von Detlev Kraack und Klaus-Joachim
Lorenzen-Schmidt
Neumünster, Wachholtz Verlag, 2008.
(Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Schleswig-Holsteins, Band 44)
________________________________
Wir danken Herrn Dr.
H. Zimmermann und
der Wachholtz Verlag GmbH, Neumünster
herzlich für die Wiedergabe-Erlaubnis!
|